Berichte aus Montenegro 2012

Fr 12.10.2012: Raues Segeln von Shengjin (Albanien) nach Bar (Montenegro)

 

44. Fahrttag (35 sm): Nicht mein Schädel brummt, sondern der Generator des Zement-Frachters vor uns, dessen Bug sich bedrohlich gegen ASANA richtet. „Good Morning“, tönt es vom Agenten Frrok auf der Pier. Auf meine Frage hin sagt er, dass der starke Südwind erst auf den Nachmittag zu erwarten ist. Schnell ist mein Entscheid gefallen: wir wollen so bald wie möglich starten! Bis der starke Südwind einsetzt, sollten wir Ulcinj passiert haben und könnten uns von Wind und Wellen nach Bar tragen lassen. Der Agent murmelt nochmals etwas von unserem kleinen Schiff und dem Risiko, beschafft uns aber innert nützlicher Frist die Navigationsbewilligung vom Hafenamt.

 

Bereits um 09.00 Uhr sind wir zum Auslaufen bereit. Viel zu viele Hände helfen viel zu schnell beim Losbinden von ASANA! Um 10.00 Uhr fallen von NW her Gewitter mit Regen und Hagel über uns her. Wir ducken uns unter die Sprayhood und lassen Fritzli steuern. Kaum sehen wir noch über den Bug hinaus. Bedenken haben wir keine, denn heute hat es kaum andere kleine Schiffe oder Fischer unterwegs, und grosse würden wir über das AIS-Radar erkennen. Um 10.40 Uhr passieren wir beim Flussdelta Ada die Grenze zwischen Albanien und Montenegro. Ich hole die Gastflagge Albanien ein und setze diejenige von Montenegro sowie die gelbe Flagge „Q“ fürs Einklarieren. Das nächste Gewitter naht und bringt NW-Wind in Stärke 3 – 4. Wir setzen Segel, das Gross mit einem Reff. Blitze schlagen etwa 3 km entfernt ein. Aus Sicherheitsgründen schalten wir über kurze Zeit alle elektronischen Geräte inkl. Funkgerät aus und halten Distanz von Metalldrähten. Und wieder prasselt der Regen nieder, sodass es im Gesicht schmerzt. Unterdessen hat der Wind die Stärke 4 – 5 erreicht und wir setzen im Gross-Segel das zweite Reff. ASANA läuft ständig mit 6 bis 7 Knoten.

 

Langsam, aber stetig baut sich aus südlicher Richtung eine Dünung auf, welche schon Stunden vorher den Starkwind ankündigt. Ein Gewitter folgt dem anderen; das Gute daran ist, dass Segel und Boot gründlich gewaschen werden. Kurz öffnet sich um 12.00 Uhr die grau-weisse Wand und lässt einen Blick auf Ulcinj zu. Die Süd-Dünung hat unterdessen mindestens zwei Meter Höhe. Der Wind bläst aber aus Nordosten, was fantastisches Segeln erlaubt. Er gibt dem Schiff die Stabilität und Grundgeschwindigkeit, die Dünung bringt ASANA zum Surfen mit Spitzen bis zu 9.7 Knoten! ASANA fährt richtig Achterbahn, aber nicht nur während drei Minuten, sondern zwei Stunden lang. Das Ganze wird auch wieder einmal eine Härteprobe für ASANA, welche zum Glück erfolgreich verlaufen ist! Unter solchen Bedingungen verzichte ich lieber darauf, die Kamera hervor zu holen, obwohl es atemberaubende Bilder und Videos gäbe!

 

Langsam durch und durch nass, haben wir trotzdem Galgenhumor und auch ein bisschen Spass an der Situation. Keine Sekunde weder Angst noch droht einem von uns beiden Seekrankheit! Wir fühlen uns auf unserem Schiff sicher! Der angekündigte, starke Südwind stellt sich dann erst gegen 22.00 Uhr ein und bleibt mit Unterbrüchen drei Tage lang bestehen. Dies bestätigt uns, dass der Entscheid, heute Morgen in Shengjin zu starten, richtig war!

 

Bereits um 14.00 Uhr erreichen wir das Leuchtfeuer Volujica und biegen in die geschützte Bucht von Bar ein. Im ruhigen Wasser des Hafens angekommen, weist uns die Sekretärin der OMC-Marina per Telefon an die 2.50 m hohe Betonmauer zwischen dem Travelift-Kanal und der Kriegsflotte von Montenegro. Von Bord- und an Bordgehen wird jedes Mal zur Kletterpartie! Zum Einklarieren haben wir hier in Montenegro drei Ämter aufzusuchen: Polizei, Zoll und Hafenamt. Alles braucht zwar einige Zeit, verläuft aber absolut problemlos. In Albanien mussten diese Formalitäten in jedem Hafen für EUR 50.00 durch den Agenten erledigt werden!

 

Die 35 Seemeilen schaffte ASANA in rund fünf Stunden, was einen Durchschnitt von 7 Knoten ergibt! Ich telefoniere dem Agenten Frrok in Shengjin und teile ihm unsere gute Ankunft mit. Er freut sich sehr über den Anruf und meint, er habe noch nie zuvor eine Rückmeldung von einem Touristenboot erhalten. Wie wenig braucht es manchmal, um jemand eine kleine Freude bereiten!

 

Uff, wir haben das Ziel dieses Jahres mit ASANA erreicht!

 

1491 Seemeilen von Port-Saint-Louis nach Bar, 669 davon gesegelt und 822 unter Motor.

 

Gerne geben wir ASANA jetzt ins Winterquartier der OMC-Marina Sveti Nicola und kehren nach Hause zurück.

 

ASANA, wir kommen im nächsten Frühling wieder! (Toni)

 

 

Schon ein ganz spezieller Segeltag für mich! Anfänglich ganz ruhig, dann Blitz, Donner, Wind, Dünung, Wellen, Regen, Hagel, Regen, Regen, Regen… Und z’mitts innä, ich blicke nach achtern: ein kleiner Delphin springt einen hohen Bogen! Danke für diese Begegnung mitten in der aufgewühlten See! Nach der ruppigen und nassen Überfahrt von Shengjin AL nach Bar in Montenegro fühlen wir uns unerwartet gut und „zwäg“, unternehmen einen kleinen Spaziergang in die Stadt, erkundigen uns nach Wäscherei, Bäckerei, Fähre usw., nehmen dann an Bord den Gasherd in Betrieb und geniessen unser Znacht mit einem wohlverdienten Glas Wein. (Lina)

 

 

Sa 13.10.2012: Zimmer bei Lubica

 

Wir bringen die Bett- und Frottierwäsche und die wenigen gebrauchten Kleidungsstücke in die Wäscherei. Auf dem Rückweg spricht Toni einen Taxifahrer an und fragt nach einer privaten Unterkunftsmöglichkeit. Sogleich tritt ein zweiter, Milan, hinzu, und bietet an, uns zu sich nach Hause zu fahren. Nach rund zwei km sind wir da; neben seinem Wohnhaus bietet Lubica, eine Freundin der Familie, in ihrem Haus acht Gästezimmer an. Während drei Tagen, vom Montag bis Mittwoch, bewohnen wir als einzige Gäste in der Nachsaison ein Zimmer im obersten Stockwerk, mit Blick auf Dächer und Meer, mit Küchenbenützung und grosser Sonnenterrasse. Nachts konzertieren sämtliche Wachhunde der Umgebung um die Wette! In der Morgendämmerung versucht ein müder, altersschwacher Güggel zu krähen; doch das hohe C schafft er nicht mehr!

 

Wir beginnen ASANA für das Auswassern vorzubereiten: bei Sonnenschein Segel zum Trocknen hochziehen, Fock bergen und verstauen, Fallen mit Hilfsleinen in den Mast einziehen (UV-Schutz), Motoren-Ölwechsel, Schoten waschen, Diesel auffüllen, Homepage aktualisieren usw. Es regnet zweitweise, ist aber angenehm warm!

 

 

Mo 15.10.2012: Auswasserungstermin für ASANA

 

Der Wecker schrillt um 07.00 Uhr, es regnet!!! Der Termin um 09.00 Uhr fällt buchstäblich ins Wasser! Aber um 12.00 Uhr ist es so weit: der Himmel klart auf, wir werden angewiesen, in eine winzige Lücke zwischen zwei Kriegsschiffen der montenegrinischen Marine zu fahren, an deren Seite wir sonst nicht mal vorbei spazieren durften! Gurten werden unter ASANA durchgezogen, viele Kommentare von vielen Leuten abgegeben, uns sträuben sich die Haare! Toni schaut weg! „No Problems, capitan!“, so lauten die meistgehörten Worte. Alles geht bestens, ASANA schwebt an einem grossen Pneukran über einem Schnellboot und steht nach kurzer Zeit auf dem Bock, sicher aufgepallt. Wir erledigen heute und an den folgenden Tagen die restlichen anfallenden Winterarbeiten wie Entleerung der Wasserversorgung, Boiler, Getriebe-Ölwechsel, Frostschutz für Motor, Blache montieren usw.

 

In der Nachsaison verkehrt die Fähre Bar AL – Bari I nur noch Sonntag und Donnerstag. Die Tage nach dem Auswassern von Montag – Donnerstag verfliegen im Nu. Unsere Zimmervermieterin Lubica bringt uns frisch gepflückte Granatäpfel und selbst hergestelltes, feines Käsegebäck. Taxidriver Milan fährt uns hin und her; er und seine Frau Saša verwöhnen uns mit türkischem Kaffee, Wein, weissem Käse, selbstgebackenem, sehr exquisitem Dessert, Weintrauben usw. Unglaublich, diese Gastfreundschaft! Die zehn zierlichen Katzen und putzigen Kätzchen leisten uns auf leisen Pfoten amüsante Gesellschaft!

 

 

Do 18.10.2012: Nach Stari Bar mit Milan

 

An unserem letzten Tag in Bar, fährt uns Milan mit seinem weissen Mercedes in die nahe gelegene antike Stadt Stari Bar; mitten auf der Strasse trotten uns zwei Esel entgegen! Was wohl könnte der über 2000 Jahre alte Olivenbaum uns alles erzählen? Voller Freude und Stolz führt uns Milan dann zu seiner Mercedes-Werkstatt, in welcher seine drei Söhne als Mechaniker arbeiten. Rund 3000 m2 wilder Garten umgeben das kleine Gebäude; Milan pflückt für uns grosse, süsse Mandarinen, reife Granatäpfel und einige Quitten, alles „naturale“!

 

Nach der Rückfahrt dürfen wir uns bei einem letzten türkischen Kaffee von Saša verabschieden; Milan fährt uns zu ASANA, wo wir uns für die Heimreise bereit machen. Kurz nach 22.00 Uhr startet die Fähre nach Bari. Nach einer ruhigen Nacht geniessen wir ein kleines Frühstück und besteigen um 08.43 Uhr den Zug nach Bologna. Über Mailand, Lugano, Arth-Goldau und „unseren“ Bus sind wir um 21.15 Uhr zufrieden in unserem lieben Daheim!

 

 

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Mo 23.10.2012: Zu Hause / Erinnerungen!

 

Seit Freitagabend 21.15 Uhr sind wir mit Sack und Pack glücklich zu Hause! Wie gross erscheint uns unsere ganz normale Wohnung, wie sauber, wie blinken die Wasserhahnen, ohne Rost, ohne Gewackel, wie glänzt das WC, wie fest hängen die Vorhänge in ihren Schienen… Dinge, die inzwischen nicht mehr selbstverständlich sind!

 

 

Mi 24.10.2012: Erinnerungen?!

 

So vieles bleibt ungeschrieben, der Bericht würde ellenlang! Es ist mir jetzt ein grosses Bedürfnis, zu danken: Toni für seine wie immer sehr seriöse und kompetente Planung und Vorbereitung der ganzen Route und der einzelnen Etappen. Viel Seglerisches durfte ich lernen während dieses Sommers, u.a. die unterschiedlichsten Anlegemanöver und Anbindearten, Segeln unter Gennaker, Steuern bei nicht ganz gemütlichen Verhältnissen usw. Danke, lieber Toni, mir war die ganze Zeit sehr, sehr wohl mit Dir!

 

Danken möchte ich auch Beni, unserem lieben Freund, welcher zehn Tage bei uns an Bord lebte und uns bei den grösseren Überfahrten begleitet und unterstützt hat. Zusätzlich hat sich Beni als Smutje betätigt und unsere Bordküche mit neuen Ideen und seinen interessanten Kreationen massiv bereichert!

 

Und, lieber Ruedi, mein herzlicher Dank gilt auch Dir! Ich bin sehr froh, dass es Dich gibt! Du weisst warum!

 

Langsam pendle ich mich zu Hause ein, anscheinend ist nun auch die Seele „eingelaufen“! Ich freue mich über den gestrigen und den heutigen super-grauen Nebeltag, die wunderbar herbstlichen, warmen Farben der Bäume und Sträucher, die farbenprächtigen Pilze im heimischen Wald, die noch blühenden Dahlien und, nicht zu vergessen, unsere lieben Nachbarn, welche uns voller Freude begrüssen!

 

Aber - Meine Gedanken wandern immer wieder zurück . . . (Lina)

 

 

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